Fuzz-mäßiger Overdrive – Teil II
Die neue Schaltung
Kapitelinhalt:[ Überspringen ]- Verwendetes Vorbild •
- Die Eingangsstufe •
- Die Begrenzerstufe •
- Der Rest der Schaltung •
- Einstellungen des Bias
Verwendetes Vorbild
Bei dem zu bauenden Effektgerät ging es also darum, eine schaltungstechnische Idee mit der Modifikation eines vorhandenen Vorbildes Tonebender MKIII auszuprobieren. Im konkreten Fall sollte getestet werden, ob es möglich ist, mit einer asymmetrischen Begrenzerstufe über einen Transistordifferenzverstärker einen „germaniummäßigen“ Zerrklang zu erzielen. Nun gibt es den Tonebender MKIII nicht, die Ex-Jugendbewegungs-Altertumsforschung Vintage & Mojo bietet mehrere Deutungen an. Hier eine der Versionen, die sich auf der Seite Fuzz Central finden lässt.
Letztendlich orientiert sich die realisierte Schaltung an der Tonebender MKIII-Version des Onlineversenders uk-electronic. Der Bausatzanbieter hatte die Schaltung auf negative Masseführung „umgestrickt“ und einen schaltbaren Hochpass vor den Eingang eingefügt. Die Schaltung wurde dort als Bausatz angeboten, UK-electronic stellt dort auch eine Bauanleitung mit Schaltplan als PDF zum Download zur Verfügung.
Soweit zu den Quellen. In der folgenden Abbildung 2.2 nun die Schaltung des realisierten Verzerrers, die hier eingehend beschrieben wird: Die rot gezeichneten Bauelemente C3, R3 und P1 bieten sich für Modifikationen an – näheres dazu im entsprechenden Kapitel Mögliche Modifikationen.
Die Eingangsstufe
Zuerst die Eingangsstufe. Der Tonebender MKIII wird hier mit einer Darlingtonschaltung eine hohe Eingangsverstärkung erreicht – auch wenn die seinerzeit verfügbaren Transistoren geringere Stromverstärkung hatten. Der Arbeitspunkt beider Transistoren wird durch einen Spannungsteiler 220 kΩ zu 47 kΩ bestimmt.
Um, für eine Siliziumversion der Schaltung einen ähnlichen Arbeitspunkt einzustellen (die drastisch größeren Restströme von Germaniumtransistoren ersteinmal außenvorgelassen), muss jetzt berücksichtigt werden, dass Siliziumtransistoren eine größere Basis-Emitterspannung „brauchen“ – insofern funktioniert die Schaltung mit Siliziumtransistoren in dieser Dimensionierung nicht genauso. Die Emitterspannungen von T1 und T2 sind bei gleicher Basisspannung von T1 kleiner und damit auch die Emitter- bzw. Kollektorströme, so dass sich die Kollektorspannung im Arbeitspunkt nach oben verschiebt.
Dies wurde durch eine größere Basisvorspannung ausgeglichen – die Basisvorspannung wird über einen Spannungsteiler 220 kΩ zu 56 kΩ bereitgestellt. Die Leerlaufspannung des Gleichspannungsteilers im Eingang steigt so von 1,5 Volt auf 1,8 Volt – an T1 bzw. T2 wurde eine Kollektorspannung von 6,5 Volt gemessen.
Die Begrenzerstufe
Grundlegendes ist ja eingangs in den Vorüberlegungen bereits gesagt worden, zur Verzerrung dient ein Differenzverstärker, dessen gemeinsamer Emitterwiderstand so klein ist, dass der Differenzverstärker kaum linear arbeitet und sich eher weichere und kontinuierlich zunehmende Verzerrungen ergeben. Das Prinzip dieser Schaltung hier nachfolgend etwas genauer:
Die beiden Transistoren der Begrenzerstufe T3 und T4 arbeiten im (nichtlinearen) Bereich kleiner Ströme – die Basiströme beider Transistoren liegen bei etwa 1–2 µA, ihre Emitterströme entsprechend bei 100–200 µA.
Strenggenommen arbeitet T3 in Kollektorschaltung (als Emitterfolger, Spannungsverstärkung etwa 1) mit niederohmigem Ausgang als Stromverstärker, während T4 in Basisschaltung mit niederohmigem Eingang und einem hohen Emitterwiderstand die eigentliche Signalverstärkung übernimmt. Beide Transistoren werden in die Begrenzung durch einen kleineren Basisstrom, gebracht, allerdings geschieht das in beiden Halbwellen des Signals auf unterschiedliche Weise. Um die Nichtlinearitäten der Schaltung zur verstehen, müssen beide Halbwellen des Eingangssignals getrennt betrachtet werden:
- Negative Halbwelle
Die negative Halbwelle führt dazu, dass T3 in den Cut Off, ins „sanfte Cliping“ läuft, das heißt, T3 wird in den Bereich kleinster Basis- und Emitterströme und eines kleineren Stromverstärkungsfaktors gebracht und begrenzt weich. Die Abnahme des Emitterstroms von T3 führt dann zu einer Zunahme des Emitterstroms vom T4, die T4 nicht in den Cut Off bringt – die sanft begrenzte negative Halbwelle erscheint verstärkt am Kollektor von T4.
- Positive Halbwelle
Die positive Halbwelle wird von T3 lediglich weiterverstärkt, das heißt, T3 entzieht T4 Basis- und Emitterstrom, so dass jetzt T4 in den Cut Off, die Absenkung des Stromverstärkungsfaktors läuft und „sanft clipt“. Die Kollektorspannung von T4 steigt gleichfalls sanft in Richtung Betriebsspannung an.
Die erreichbare Verstärkung hängt dabei vom Verhältnis der Kollektorwiderstände R13, R14 und R131 zum gemeinsamen Emitterwiderstand R11 ab.
Das Übersteuerungsverhalten dieser Begrenzerstufe durch die Einstellwiderstände R9 und R16 bestimmt. Über R16 wird die Kollektorspannung von T5 und damit die Basisruheströme von T3 und T4 kontrolliert. R16 muss so eingestellt werden, dass T4 bei einer negativen Halbwelle nicht in die Sättigung fährt und am Kollektor übersteuert. Der Widerstand R9 hingegen steuert über den Basisstroms von T3 den Arbeitspunkt der Begrenzerstufe (die Ruhespannung am Kollektor von T4 ) und damit die Symmetrie der Begrenzungen.
Im Unterschied zum Tonebender MKIII, dessen Begrenzerstufe nur die halbierte Betriebsspannung zur Verfügung steht, arbeitet die Begrenzerstufe mit Siliziumtransistoren mit der vollen Betriebsspannung, da die verwendeten Transistoren „größere Spannungen brauchen“. (Die beiden Widerstände 10 k Ω [R13 und R131] bilden im originalen Tonebender MKIII einen Spannungsteiler zwischen Betriebsspannung und Masse mit einer Ausgangsspannung von 4,5 Volt und einem Ausgangswiderstand von 5 kΩ). Letztendlich kann die Schaltung aber noch umgelötet und R131 gegen Masse gelegt werden, wodurch die Begrenzerstufe wie im Tonebender MKIII mit 4,5 Volt arbeitet (was aber u. U. eine Neueinstellung von R9 und R16 nach sich zieht.).
Soweit die theoretischen Überlegungen. Um diese Überlegungen zuerst einmal ohne allzu großen Aufwand zu verifizieren, wurde die ausgedachte Begrenzerstufe zunächst am Rechner in PSPICE simuliert. Hier die Simulationsschaltung:
Das Ganze sieht gefährlicher aus, als es letztendlich ist ;-) Um die Kennlinie im Zusammenhang mit dem Arbeitspunkt zu ermitteln, wird die Schaltung in der Simulation zweimal mit identischen Bauelementewerten aufgebaut – die untere Instanz der Schaltung hat keine andere Aufgabe, als die Ruhespannung an der Basis von T3 zu liefern. Das ist notwendig, um zu ermitteln, welche Ausgangsspannung ohne Signal anliegt und um beurteilen zu können wie symmetrisch oder asymmetrisch die Begrenzungen sind. Dieser Ruhespannung an der Basis von T3 wird dann eine Gleichspannung von beispielsweise ± 1 Volt aufaddiert und mit dem Eingang der oberen Instanz der Schaltung verbunden, so dass an deren Ausgang die Ausgangsspannung in Abhängigkeit von Wert der Eingangsspannung, mithin die statische Kennlinie der Schaltung, abgenommen werden kann. PSPICE hat das in ein schönes Diagramm gegossen:
Die aufsteigende Linien zeigen die Ausgangsspannung am Kollektor von T3 [in der Diagramlegende: V(R14:1)]. Die „Glockenkurven“ zeigen die (halbe) Änderung der Ausgangsspannung über der Eingangsspannung: [in der Diagramlegende: D(V(R14:1))/2]. Die cyanfarbene hervorgehobene Kennlinie entspricht einer symmetrischen Speisung beider Transistoren: (R8 + R9) = R12 = 100k Ω.
Als Ergebnis der Simulation kann man erkennen, dass eine relativ weich geschwungene nichtlineare symmetrische Kennlinie (die Verstärkung ist nirgendwo konstant) entsteht, deren Arbeitspunkt über R9 eingestellt werden kann. Die Kennlinie an sich ist symmetrisch, die Symmetrie der Verzerrungen wird über den Arbeitspunkt eingestellt.
Anschließend wurde die Kennlinie noch mit einem realen Schaltkreis CA3046 auf dem Breadboard ausgemessen, die Ergebnisse waren, abgesehen von einer größeren Verstärkung, im Wesentlich ähnlich.
Der Rest der Schaltung
Zurück zum Schaltungsentwurf für den Verzerrer. Die Klangregelung entspricht nun weitestgehend dem Original bzw. dem gewählten Vorbild – lediglich für das Volumenpotentiometer sollte eines mit logarithmischer Charakteristik verwendet werden, es war nur gerade kein passendes da ;-(
Die Basisvorspannung für die Begrenzerstufe wird, wie schon gesagt, mit dem übriggebliebenen Transistor T5 bereitgestellt, die beiden parallelgeschaltete Kondensatoren – C10 und C11 zwischen Basis und Kollektor (ein Elko 1 µF und ein Vielschicht-Keramikkondensator 100 nF) sorgen für Stabilität.
Last but not least die Spannungsversorgung. Die Betriebsspannung wird über einen Vorwiderstand R18 = 100 Ω und zwei parallelgeschaltete Kondensatoren – ein Elko C8 = 100 µF und ein Vielschicht-Keramikkondensator C9 = 100 nF gesiebt. Die Z-Diode D1 sorgt zusammen mit R18 für einen Schutz gegen Überspannung und Schäden durch Verpolung von Batterie oder Netzteil.
Einstellungen des Bias
Nun finden sich in der entworfen Schaltung in Abbildung 2.2 zwei Trimmpotentiometer – R9 und R16. Beide dienen der Einstellung der Begrenzerkennlinie.
Zuerst R16. Oben wurde ausgeführt, dass T3 beim Verstärken der negativen Halbwelle in den Cut Off läuft, dass der Basisstrom von T3 und die Kollektorspannung von T4 ihren kleinsten Wert erreichen. R16 muss so eingestellt werden, dass zu dieser sanfte Begrenzung nicht noch eine Begrenzung an T4 hinzukommt. Das heißt, die Kollektorspannung von T4 sollte den Wert von 1 Volt nie wesentlich unterschreiten.
Die Einstellungen können folgendermaßen vorgenommen werden:
- R16 – minimale Kollektorspannung:
Dazu wird die Basis von T3 gegen Masse kurzgeschlossen und dann mit R16 für T4 eine Kollektorspannung von etwa einem Volt eingestellt.
- R9 – Arbeitspunkt der Ausgangsstufe:
Nach Entfernen des o. g. Kurzschlusses kann der Arbeitspunkt von T4 eingestellt werden.
Wenn für den Tonebender MKIII für dessen Begrenzerstufe ein Arbeitspunkt von knapp 2 Volt empfohlen wird (die Begrenzerstufe des Tonebender MKIII arbeitet mit einer Betriebsspannung von 4,5 Volt.) so wäre hier über R9 ein Arbeitspunkt von knapp 4 Volt am Kollektor von T4 einzustellen. Aber das ist selbstverständlich nur ein Vorschlag – das Ohr entscheidet.