Umbau eines Vermona­verstärkers – Teil IV

Die Umbaumaßnahmen

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Low Cut im Overdrive-Kanal

Im Overdrive-Kanal wird es am schnellsten deutlich, dass das Konzept des Herstellers Vermona, einen linearen Frequenzgang mit einer möglichst röhrenähnliche Verzerrung zu kombinieren, klanglich nicht wirklich aufgeht – der Overdrive-Kanal klingt dumpf, matschig und intransparent.  Dem begegnet man normalerweise mit einer Reduktion der Bässe sowie gegebenenfalls auch einer Anhebung der Mitten vor der Verzerrung. 

Der einfachste Weg, in diesem Verstärker die Bässe vor der Verzerrung zu reduzieren, ist eine Verkleinerung des Kondensators C6.  (Siehe dazu auch weiter oben im Schaltplan der ersten Klippstufe in Abbildung 1.6, links oben

Der Kondensator C6 liegt als Koppel­kondensator im Overdrive-Kanal vor der zweiten Verstärker­stufe, mit der das Signal vor den CMOS-Invertern noch einmal verstärkt wird.  Eine Verkleinerung von C6 reduziert dabei die Bässe unabhängig von der Stellung des Gain-Reglers mit einem „sanften“ Hochpass erster Ordnung – dessen Ansatzfrequenz berechnet sich aus den Größen von C6 und R9, muss aber durch Probieren an die klanglichen Gegebenheiten angepasst werden. 

Soweit die Theorie.  Da das zu DDR-Zeiten verwendete braune Leiterplatten­material keine umfangreichen Lötexperimente zulässt (nach dem zweiten oder dritten Lötvorgang an einer Stelle löst sich das Kupfer vom Trägermaterial), gab es für die gewünschte Bassreduktion im Grunde nur einen Versuch und es musste im klanglichen Blindflug in die Schaltung eingegriffen werden. Deswegen wurde C6 durch eine veränderbare Reihenschaltung mehrerer Kondensatoren ersetzt – auf einen Ein-Ebenen-Umschalter mit leerer Mittelstellung (on-off-on-Schalter SPDT), wurden zwei Kondensatoren (22 nF und 33 nF) gelötet.  Dabei sind die Kondensatoren in Reihe geschaltet, der Schalter schließt in Stellung eins oder drei jeweils einen der Kondensatoren kurz, während in der Mittenstellung beide Kondensatoren in Reihe liegen: 

SchaltskizzeSchaltskizze

Abb. 3.1:  Einbau eines Low Cuts in den Overdrive-Kanal vor den Zerr­stufen (C6 = 1 μF wird durch eine schaltbare Kombination zweier Kondensatoren ersetzt.)

Somit stehen drei verschiedene Kondensatorwerte und auch ein Hochpass mit drei verschiedenen Ansatzfrequenzen zur Verfügung: 

Schalter Links – C6 gleich 22 nF:

Hochpass 700 Hz – Tubescreamer-mäßige Mittenbetonung? 

Schalter Mitte – C6 gleich 13,2 nF:

Hochpass 1,2 kHz – maximale Bass- und Tiefmitten­absenkung, um bei kräftigen Gain keinen allzu matschigen Klang zu erhalten. 

Schalter Rechts – C6 gleich 33 nF:

Hochpass 500 Hz – dezenter Low Cut, voller Klang, eher für Single Coils

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Volumenregler im Overdrive-Kanal

Der Verstärker hat genau drei verschiedene Regler für Vorverstärkung und die Lautstärke – einen Gain-Regler für Tube Drive-Kanal und einen Volumenregler für den Clean-Kanal sowie einen Mastervolumenregler.  Das setzt voraus, dass man zunächst das Gain für den Overdrive-Kanal und anschließend die Gesamtlautstärke einstellt und schließlich die Lautstärke des Clean-Kanals über dessen Aussteuerung anpasst. 

Das mag funktionieren, wenn der Clean-Kanal wirklich völlig clean und leise gespielt wird.  Soll aber auch dieser Kanal auch ein wenig „aufgedreht“ werden, ist er zu laut; außerdem ist es nicht mehr möglich, die Lautstärke des Overdrive-Kanals dem des lauteren Clean-Kanals anzupassen.  Aus diesem Grunde musste die Lautstärke des Overdrive-Kanals erhöht und an dessen Ende noch eine weitere Lautstärke­regelung eingefügt werden. 

Aber wo? Hier lohnt sich wieder ein Blick in den Schaltplan (siehe gezeichneten Schaltplan­auszug in Abbildung 3.2).  Im Overdrive-Kanal wird in zwei Stufen verzerrt, jeweils vor und nach der Klangregelung.  Die Lautstärkeregelung musste also am Ende der letzten Zerr­stufe erfolgen.  Weiterhin zeigt der Schaltplan, dass in beiden Zerr­stufen dem verzerrten Signal noch ein geringer Anteil des unverzerrten Signals beigemischt wird.  Das erfolgt jeweils vor der Kanal­umschaltung, also da, wo auch eine Lautstärkeregelung hingehört.  Bei der zweiten Zerr­stufe nach der Klangregelung besteht das Mischglied aus den vier Widerständen R38, R43 und R44 sowie R42 gegen Masse: 

SchaltplanSchaltplan

Abb. 3.2:  Einbau eines Volumenreglers in den Overdrive-Kanal nach den Zerr­stufen (R42 = 2,2 kΩ wird durch ein Potentiometer 10 kΩ ersetzt.). 

Dieser Widerstand R42 mit 2,2 kΩ gegen Masse wird nun ersetzt durch ein logarithmisches Potentiometer 10 kΩ, Widerstand zwischen Anfang und Schleifer, Kurzschluss zwischen Schleifer und Ende.  Damit ist der Overdrive-Kanal schon einmal in seiner Lautstärke regelbar, aber immer noch zu leise.  Abhilfe schaffte hier eine Verringerung der Lautstärke des Clean-Kanals, die weiter unten beschrieben wird. 

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Jetzt der Clean-Kanal

Hier waren zwei Umbauten notwendig, eine Pegelanpassung (der Clean-Kanal war zu laut), und, korrespondierend mit dem Low Cut des Overdrive-Kanals, ein zusätzlicher Low Cut für den Cleansound

SchaltplanSchaltplan

Abb. 3.3:  Noch einmal der prinzipielle Aufbau der ersten Zerr­stufe vor der Klangregelung einschließlich der Kanal­umschaltung im Vermona VM30/VM60.

Zuerst zur Pegelanpassung:  Betrachtet man die Signalwege beider Kanäle im Schaltplan des Verstärkers (im Überblick in Abbildung 1.1 oder, im Detail, in obiger Abbildung 3.3), so erkennt man, dass die Signale für cleanes und verzerrtes Signal nach dem Eingang verschiedene Begrenzer­stufen durchlaufen und dann, geschaltet durch VI4 und VI5, über einen in invertierender Schaltung betriebenen Operations­verstärker (VI6) für die nach­folgende Klangregelung verstärkt und gepuffert werden.  Diese invertierende Schaltung hat für den Clean-Kanal eine Verstärkung von etwa vier (R25 und R92) und für den Overdrive-Kanal eine Verstärkung von eins (R27 und R92).

Das hat Sinn, wenn man den Clean-Kanal auch so clean fährt, dass der vorherige CMOS-Inverter nicht ansatzweise in die Begrenzung kommt und auch nur eine Ausgangs­spannung von weitaus weniger als ±5 Volt entsteht.  Wird das Signal im Clean-Kanal etwas stärker angezerrt, dann führt die nach­folgende weitere Signalverstärkung über VI6 dazu, dass dieser übersteuert.  (Übersteuert VI6, muss auch damit gerechnet werden, dass die Kanal­umschaltung an dieser Stelle „undicht“ wird.)  Außerdem ist dann der Clean-Kanal so laut, dass der Overdrive-Kanal nicht mehr ausreichend laut eingestellt werden kann. 

Die Lösung des Problems ergibt sich ja schon aus der obigen Problembeschreibung – der Widerstand R25 muss auf den Wert von R27 (100 kΩ) vergrößert werden, so dass die Verstärkungen beider Kanäle in dieser Stufe – das heißt, vor der Klangregelung, gleich sind.  (Die Anhebung der Verstärkung des Overdrivekanals wurde bereits weiter oben beschrieben.)

Bei einer Änderung von R25 muss jetzt aber – für einen unveränderten Frequenzgang – auch noch C25 geändert werden.  Wollte man nur die Verstärkung des Clean-Kanals anpassen, wäre lediglich dafür zu sorgen, dass das Produkt von R25 und C25 gleich bleibt, das heißt, die Kombination 27 kΩ und 100 nF würde ersetzt durch 100 kΩ und 27 nF.  Praktischerweise kann der zweite Umbau für den Clean-Kanal, eine Straffung der Bässe durch einen Hochpass, ebenfalls hier realisiert werden, wenn C25 entsprechend verkleinert wird. 

Dazu wurde wieder auf einen 3-Positionen-Kippschalter (ein on-off-on-Schalter) mit drei Kondensatoren zurückgegriffen – einem Kondensator 3,3 nF können wahlweise ein Kondensator 22 nF, 2,2 nF oder kein Kondensator parallel zugeschaltet werden.  Somit sind drei verschiedene Einstellungen möglich: 

SchaltskizzeSchaltskizze

Abb. 3.4:  Einbau eines Low Cuts und einer Pegelanpassung in den Clean-Kanal (R25 = 27 kΩ und C25 = 100 nF werden durch 100 kΩ und eine schaltbare Kondensator­kombination ersetzt.)

Diese Kombinationen führen zu drei verschiedenen Low-cut-Filtern:

Schalter Links – C25 gleich 25,3 nF (22 nF parallel 3,3 nF)

Hochpass 60 Hz – das entspricht weitestgehend der vorherigen Klangfilterung; kein Low Cut

Schalter Mitte – C25 gleich 3,3 nF

Hochpass 500 Hz – der kräftigste Low Cut

Schalter Rechts – C25 gleich 5,5 nF (2,2 nF parallel 3,3 nF)

Hochpass 300 Hz – ein etwas dezenterer Low Cut

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Ein anderer Mittenregler

Der aktive Mittenregler schien mit einer Mittenfrequenz von 1 kHz ein wenig zu sehr an Hi-Fi-Schaltungen orientiert und dabei an den klanglichen Bedürfnissen für einen Gitarren­verstärker vorbeizugehen. 

Die Hörgewohnheiten für einen Gitarren­verstärker sind von speziellen passiven Klangregelungen, den sogenannten Tonestacks geprägt, die ein klangprägendes Mittenloch in einem Bereich unter 1 kHz erzeugen.  Dabei ist die Lage dieses Mittenlochs sowohl von der Art des Tonestacks (Fender, Marshall oder Vox) als auch von der Stellung der Regler abhängig, so dass eine generelle Festlegung schwierig ist. 

So wurde zunächst der Kondensator C34 mit ehemals 10 nF durch einen Kondensator mit 33 nF ersetzt.  Gegebenenfalls muss auch hier eine Umschaltoption eingesetzt werden. 

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Ein Einschleifweg

Im Schaltplan der Vorstufe der Verstärkers VM30 / VM30 sind eine Hallschaltung sowie ein Einschleifweg eingezeichnet, die in der vorhandenen Exportversion ME50 nicht realisiert wurden.  Allerdings sind auf der Leiterplatte der Vorstufe beide Optionen vorgesehen (aber nicht bestückt.

Der Einbau eines Federhalls war zu aufwendig und zu teuer, die Anschaffung eines guten digitalen Effektgerätes erscheint hier sinnvoller.  Der Aufwand für den Effektweg ist aber überschaubar – ein paar Widerstände, Kondensatoren und Schutzdioden sowie zwei Klinkenbuchsen sind hier gut angelegtes Geld.  So wurde der im Schaltplan für den VM30 vorgesehene Einschleifweg in den vorhandenen ME50 eingebaut.

Dabei wurde an die Klinkenbuchse eine „Brummschleifen­sperre“ angelötet – zwischen der Schaltungsmasse und der Masse der Klinkenbuchsen liegen jeweils eine Parallelschaltung aus einem Widerstand 100 Ω / 1 W, einem Kondensator 100 nF sowie einer kurzgeschlossenen Graetzbrücke.  Dazu sind natürlich isolierte Buchsen notwendig. 

Während Vermona für die Isolierung von Gehäusemasse und Signalmasse „normale“ Klinkenbuchsen und selbstzentrierende Isolatorscheiben verwendet hat, stehen heute und hierzulande Klinkenbuchsen zur Verfügung, bei denen das Klinkenstecker­gehäuse vom Gewinde der Klinkenbuchse isoliert ist – beispielsweise sogenannte Ampstyle-Buchsen.  Sie ermöglichen außerdem eine direkte Montage der Brummschleifen­sperre auf die Schaltkontakte der Buchse selbst, es wird also keine zusätzliche Platine oder Lötösenleiste benötigt.  Die Schaltung selbst ist nicht neu, sie wird zum Beispiel von der Firma Marshall in einigen Verstärkern verwendet: 

SchaltskizzeSchaltskizze

Abb. 3.5:  Einschleifweg des Verstärkers mit Brumm­schleifen­sperre – Verkabelung der Klinkenbuchsen. Das Signal läuft von der Vorstufe über den Schaltkontakt der Return-Buchse wieder zur Vorstufe zurück.

Neben der Brumm­schleifen­sperren waren auch auf der Platine einige Veränderungen notwendig. Eingefügt wurden Pulldown- und Schutzwiderstände (R51, R52, R94) ein HF-Filterkondensator (C25) sowie Schutzdioden gegen das Eindringen von Überspannungen (D2 bis D5) wie im Schaltplan vorgesehen in die Leiterplatte eingelötet.  Die Details, die ohnehin nicht unbesehen verallgemeinerbar sind, finden sich im Schaltplan der Vorstufe (siehe weiter vorn in Abbildung 1.1).  Anstelle der Diode SAY17 (belastbar mit knapp 200 mA) wurde die aktuell verfügbare nächstgrößere Standarddiode 1N4007 verwendet. 

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Schönheits­reparaturen

Last but not least wurden alle Potentiometer getauscht.  Beim Abtrennen des Knopfes zunächst eines Potentiometers mit Wackelkontakt war das Potentiometer beschädigt worden – Vermona hatte sogenannte knurled- oder skirted-Potentiometer mit Zahnstangenachse (Instrumenten­potentiometer) verbaut, bei denen die Knöpfe auch sehr fest mit der Achse verbunden waren.  Also wurden sowohl alle Potentiometer getauscht als auch verschiedenfarbige Knebelknöpfe für glatte Potentiometerachsen verwendet.