VOX Pathfinder 10 – Teil III

Endstufe – Entdämpfung des Laut­sprechers

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Ein kleiner Übungs­verstärker mit einer kleinen integrierten Endstufe und einem guten Laut­sprecher bietet sich an, mit der Beschaltung der Endstufe und insbesondere mit deren Ausgangswiderstand zu experimentieren. 

Ziel war es, eine Beschaltung zu finden, die den dynamischen Ausgangswiderstand des Verstärkers erhöht und dem Laut­sprecher einige „Freiheiten“ lässt. 

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Ein bisschen Theorie

Dieser dynamische Ausgangswiderstand hat nichts damit zu tun, ob man eine Box mit 4 Ω oder 8 Ω an den Verstärker anschließt.  Er beschreibt, inwieweit der Verstärker den Laut­sprecher bedämpft. 

Bei einen üblichen Hi-Fi-Verstärker der Ausgangswiderstand sehr gering; man versucht hier Verstärker zu bauen, die den Laut­sprecher möglichst vollständig kontrollieren.  Dazu wird vor allem die Spannung über dem Laut­sprecher kontrolliert und dafür gesorgt, dass der Verstärker Strom liefern kann, ohne dass die Ausgangsspannung des Verstärkers einbricht. 

Bei einem Gitarren­verstärker ist das nicht unbedingt erwünscht, die Resonanzen des Laut­sprechers in der Box sollen durchaus auch zur Geltung kommen. 

„Elektronisch“ bedeutet das, dass der Verstärker dem Laut­sprecher nicht nur eine bestimmte Spannung „aufzwingt“, sondern – je nach Widerstand des Laut­sprechers – in der Ausgangsspannung „nachgibt“ oder eine größere Ausgangsspannung zulässt.  Im Extremfall (sehr hoher dynamischer Ausgangswiderstand, zum Beispiel beim VOX AC30) zwingt der Verstärker dem Laut­sprecher keine Spannung auf, sondern „pumpt“ Strom in den Laut­sprecher. 

Mathematisch kann man den dynamischen Ausgangswiderstand berechnen als Quotient aus Leerlaufspannung und Kurzschluss­strom.  Aber bitte nur berechnen, nicht ausprobieren! Man berechnet also, welche Ausgangsspannung der Verstärker ohne Last hätte und welcher Strom theoretisch fließen würde, wäre der Ausgang kurzgeschlossen. 

Für die Erhöhung des Ausgangswiderstands gibt es schaltungs­technisch mehrere Möglichkeiten.  Ihnen ist gemeinsam, dass nicht nur die Ausgangsspannung des Verstärkers, sondern auch dessen Ausgangsstrom (abhängig vom Laut­sprecher) in die Gegen­kopplung einfließt. 

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Schaltung und Berechnung

Dafür gibt es schaltungs­technisch verschiedene Möglichkeiten, eine Serien- oder eine Parallel­schaltung von Spannungs- und Strom­gegen­kopplung sowie Mischformen.  Diese alle zu erläutern würde wohl den Rahmen dieses Textes sprengen – es wird im Folgenden die realisierte Schaltung vorgestellt. 

Zunächst aber erst einmal die Original­schaltung der Endstufe des Verstärkers. 

Schaltplan

Abb. 3.1:  Endstufe des Verstärkers VOX Pathfinder 10.  (Angaben ohne Gewähr.)

Die Beschaltung des TDA2030 unterscheidet sich kaum von der im Datenblatt angegebenen, lediglich ist der Verstärkungsfaktor der Gesamt­schaltung durch einen größere Gegen­kopplung kleiner, so das sich für eine Eingangsspannung von 775 mV (0 dB) in etwa Vollaussteuerung ergibt.  Dies wurde durch den veränderten Wert von R21 erreicht.  Es wird über den Spannungsteiler R20 (22 kΩ) und R19 (1,8 kΩ) etwa ein dreizehntel der Ausgangsspannung auf den Minus-Eingang des Verstärker­schaltkreises zurückgeführt. 

C20 und R19 verringern die Verstärkung bei hohen Frequenzen und dienen der Unterdrückung möglicher Schwingungen.  Die gleiche Aufgabe hat das Boucherot-Glied R22 und C22 – es gleicht die ansteigende Impedanz des Laut­sprechers bei hohen Frequenzen aus. 

C23 und die Widerstände R23 bis R25 bilden, so ein Kopfhörer angeschlossen ist, einen Tiefpass mit einer Grenzfrequenz von etwa 4 kHz.  Weiterhin schaltet die Kopfhörerbuchse die Masseverbindung des Laut­sprechers ab, wenn ein Kopfhöhrerstecker eingesteckt ist, der Laut­sprecher hängt dann „in der Luft“, ist also stumm. 

Nun zur modifizierten Endstufen­schaltung mit gemischter Spannungs- und Strom­gegen­kopplung.  Was wurde hier gemacht? 

Schaltplan

Abb. 3.2:  Schaltung einer gemischten Spannungs-/ Strom­gegen­kopplung in der Endstufe. 

Der Widerstand R21 (1,2 kΩ) wurde durch zwei Widerstände R201 und R202 mit je 1 kΩ ersetzt.  Das ist weniger einem besonderen Schaltungsdesign geschuldet, sondern eher einer einfachen „löttechnischen“ Umsetzung – sie ermöglicht es, in die Lötpunkte des vorherigen Widerstandes R21 die beiden Widerstände R201 und R202 einzusetzen, an deren Verbindung die Strom­gegen­kopplung eingespeist wird, wie im folgenden Foto zu sehen: 

Fotografie

Abb. 3.3:  Einspeisung der Strom­gegen­kopplung in die vorhandene Schaltung (unten Mitte links; rechts neben dem kleinen Schalter

Zur (elektronischen) Funktion: Zwischen den beiden Widerständen R201 und R202 wird über einen Koppel­kondensator C201 und einen weiteren Widerstand R203 ein Signal zur Strom­gegen­kopplung eingespeist, das durch Einschleifen von drei parallelen Widerständen R204 bis R206 mit je 1 Ω in die Laut­sprecherleitung gewonnen wurde. 

Um zu verstehen, wie die beiden Gegen­kopplungsarten wirken, werden diese im Folgenden einzeln beschrieben.  Dabei werden alle außerhalb des (Gitarren)ton­frequenz­bereiches wirkenden Bauelemente ausgeklammert – insbesondere R19 (wirkt mit C20 im Ultraschallbereich gegen Schwingneigung der Endstufe) sowie C21 und C201 (Gleichspannungs­trennung und Dämpfung im Subbassbereich). 

Zur Funktion der Spannungs­gegen­kopplung muss der Leerlauf betrachtet werden.  In diesem Fall wird die Ausgangsspannung über R20 (22 kΩ), R201 (1 kΩ) und R202 || R203 (zusammen etwa 90 Ω) geteilt.  (R204 bis R206 können hier vernachlässigt werden.)

Begonnen wird mit dem Spannungsteiler, mit dem die Ausgangspannung im Leerlauf auf den invertierenden Eingang zurückgeführt wird: 

\( \begin{equation} u_{\textrm{E}} = \cfrac{R_{\textrm{203}}||R_{\textrm{202}} + R_{\textrm{201}}} {R_{\textrm{203}}||R_{\textrm{202}} + R_{\textrm{201}} + R_{\textrm{20}}} \cdot u_{\textrm{LL}} \tag{1}\end{equation} \)

Diese Gleichung wird nach uLL / uE umgestellt

\( \begin{equation} \cfrac{u_{\textrm{LL}}}{u_{\textrm{E}}} = \cfrac{R_{\textrm{203}}||R_{\textrm{202}} + R_{\textrm{201}} + R_{\textrm{20}}} {R_{\textrm{203}}||R_{\textrm{202}} + R_{\textrm{201}}} \tag{2}\end{equation} \)

ein wenig vereinfacht

\( \begin{equation} \cfrac{u_{\textrm{LL}}}{u_{\textrm{E}}} = \cfrac{R_{\textrm{20}}} {R_{\textrm{203}}||R_{\textrm{202}} + R_{\textrm{201}}} \tag{3}\end{equation} \)

und es werden die konkreten Widerstandswerte eingesetzt:

\( \begin{eqnarray} \frac{u_{\textrm{LL}}}{u_{\textrm{E}}} & = & 1 + \frac{22\,\textrm{k}Ω} { 1\,\textrm{k}Ω \,||\,100\,Ω + 1\,\textrm{k}Ω} \\~\\ & = & 1 + \frac{22} {0{,}091 + 1} \\~\\ u_{\textrm{LL}} & \approx{} & 21{,}167 \cdot u_{\textrm{E}} \tag{4}\end{eqnarray} \)

Rechnerisch hat die Endstufe also eine Leerlauf­ausgangsspannung von (etwa) dem 22-fachen der Eingangsspannung. 

Die Funktion der Strom­gegen­kopplung hin­gegen zeigt sich am besten im (gedachten!) Kurzschlussfall.  In diesem Fall ist die Spannung über den parallel­geschalteten Widerständen R204 bis R206 gleich der am Ausgang der Endstufe.  Aus dem Kurzschlußstrom, multipliziert mit 1 Ω / 3, ergibt sich also die Ausgangsspannung der Endstufe, aus der sich nach zwei Spannungs­teilerstufen die Spannung am invertierenden Eingang der Endstufe und deren Eingangsspannung ableiten läßt.  Bei dieser Berechnung wurde allerdings vernachlässigt, daß die Spannungsteiler sich gegenseitig belasten (R202 und R203 belasten R204 ff, R20 und R201 belasten R203).  Da aber R202 und R203 wesentlich größer sind als R204 ff und weiterhin R201 und R20 wesentlich größer sind als R203, kann diese Belastung hier ignoriert werden. 

Zunächst also die Grundgleichung für die Strom­gegen­kopplung (Schaltung im Kurzschlussfall).  Die Eingangsspanung des invertierenden Eingangs uA setzt sich aus zwei Spannungen zusammen – der Spannung über R202 und der Spannung über R203, wobei letztere der über dem Spannungs­teiler R20 und R201 geteilten Spannung über R203 entspricht. 

\( \begin{eqnarray} u_{\textrm{E}} & = & \frac{R_{\textrm{202}}} {R_{\textrm{202}} + R_{\textrm{203}}} \cdot{} u_{\textrm{A}} \\~\\ & + & \frac{R_{\textrm{201}}} {R_{\textrm{201}} + R_{\textrm{20}}} \cdot \frac{R_{\textrm{203}}} {R_{\textrm{202}} + R_{\textrm{203}}} \cdot{} u_{\textrm{A}} \tag{5}\end{eqnarray} \)

Die Ausgangsspannung UA wiederum ist im Kurzschluss­fall gleich der Spannung über den parallel­geschalteten Widerständen R204 ff. 

\( \begin{equation} u_{\textrm{A}} = \cfrac{R_{\textrm{204}}}{3}\cdot i_{\textrm{KS}} \tag{6}\end{equation} \)

Im folgenden werden beide Gleichungen zusammengefasst, der Kurzschluss­strom iKS wird extrahiert und es werden konkrete Werte eingesetzt:

\( \begin{equation} u_{\textrm{E}} = \cfrac{1\,Ω}{3} \left( \cfrac{1\,\textrm{k}Ω} {1{,}1\,\textrm{k}Ω} + \cfrac{1\,\textrm{k}Ω} {23\,\textrm{k}Ω} \cdot \cfrac{100\,Ω} {1{,}1\,\textrm{k}Ω} \right) \cdot i_{\textrm{KS}} \tag{7}\end{equation} \)

Für eine einfachere numerische Lösung werden rechts die Widerstände innerhalb der Klammern durch 0,1 kΩ geteilt: 

\( \begin{eqnarray} u_{\textrm{E}} & = & \frac{1 Ω}{3} \cdot \left(\frac{10}{11} + \frac{1}{23} \cdot \frac{1}{11} \right) \cdot i_{\textrm{KS}} \\~\\ & = & 1 Ω \cdot \frac{231} {3\cdot 11 \cdot 23} \cdot i_{\textrm{KS}} \tag{8}\end{eqnarray} \)

Schließlich wird nach iKS aufgelöst: 

\( \begin{equation} i_{\textrm{KS}} \approx \cfrac{3{,}3}{Ω} \cdot u_{\textrm{E}} \tag{9}\end{equation} \)

Der Ausgangs­kurzschlusstrom ergibt sich also zur Eingangsspannung, dividiert durch 3,3 Ω.  Für diese Schaltung berechnet sich jetzt der dynamische Ausgangswiderstand mit etwa 6 Ω: 

\( \begin{eqnarray} r_{\textrm{out}} & = & \frac{u_{\textrm{LL}}}{i_{\textrm{KS}}} \\~\\ & = & \frac{21{,}167} {3{,}3} \cdot \Omega \cdot \frac{u_{\textrm{E}}} {u_{\textrm{E}}} \\~\\ r_{\textrm{out}} & \approx{} & 6{,}4 \Omega{} \tag{10}\end{eqnarray} \)

Der differentielle Ausgangswiderstand liegt also etwa in Größenordnung der Laut­sprecher­impedanz.  Für den Frequenzgang der Endstufe bedeutet das, dass die Spannungs­verstärkung bei Frequenzen, bei denen die Impedanz des Laut­sprechers stark ansteigt, maximal auf den doppelten Wert steigen kann.  Das soll in einer Simulation untersucht werden. 

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Simulation

Diese Schaltung wurde in PSPICE simuliert.  Zur Simulation des komplexen Widerstands des Laut­sprechers kam ein Modell zum Einsatz, das einem Patent der Firma GrooveTubes von 1990 entnommen wurde (US Patent Nr.: 4,937,874; gefunden in der Patent-Liste von AMZ – siehe Patent 43).  Hier die verwendete Simulations­schaltung, die Laut­sprecher­simulation ist blau gezeichnet. 

Schaltplan

Abb. 3.4:  Schaltung zur Simulation der gemischten Spannungs-/ Strom­gegen­kopplung in der Endstufe.  Die Simulations­schaltung des Laut­sprechers ist blau.  Der rote Widerstand R24 schaltet die Strom­gegen­kopplung zu (R24 = 1 Ω) oder ab (R24 = 1 MΩ). 

In der folgenden Abbildung 3.5, die den simulierten Frequenzgang der Endstufe mit und ohne Strom­gegen­kopplung darstellt, sind die Anhebungen um die Bassresonanz und in den Höhen durch die Strom­gegen­kopplung deutlich zu erkennen.  Sie scheinen nicht besonders hoch zu sei zu sein, wobei das zum Teil in der speziellen Ersatzschaltung für den Laut­sprecher begründet ist. Im Bassbereich liegt deren maximale Impedanz (R304) dieser Schaltung beim etwa dreifachen der Gleichstrom­impedanz (R301||R304).  Insgesamt ist aber die Anhebung der Ausgangsspannung im Bassbereich auf das etwa eineinhalbfache nachvollziehbar, wenn man den differentiellen Ausgangswiderstand von etwa 6 Ω und die geringe besprochene Ausprägung der Bassresonanz gleichzeitig einberechnet. 

PSPICE-Diagramm

Abb. 3.5:  Simulierter Frequenzgang der gemischten Spannungs-/ Strom­gegen­kopplung in der Endstufe.  Der gestrichelte Graph zeigt den den simulierten Frequenzgang der Endstufe ohne Strom­gegen­kopplung.