Ideen zu einem Treblebooster für Humbucker
Wozu ein spezieller Treblebooster für Humbucker?
Kapitelinhalt:[ Überspringen ]- Historie und Sachkunde •
- Simulationen & Gedankenexperimente •
- Denken nach Zahlen •
- Literaturhinweise
Historie & Sachkunde
Treblebooster sind Effektgeräte, die, zwischen Gitarre und Verstärker geschaltet, den Klang (Frequenzgang, Pegel) insbesondere einer Gitarre mit Single Coils in Abhängigkeit von der Stellung des Volumenreglers der Gitarre so verändern, dass ein Röhrenverstärker ohne spezielle klangliche Anpassungen für Gitarre einen guten Zerrsound produziert.
Sie gleichen damit zunächst ein Problem historischer Verstärker aus – deren weitestgehend linearen Frequenzgang. Rockmusik und deren weitere Spielarten sind an Instrumentenverstärkern entstanden, deren Entwickler zunächst einmal das Ziel hatten, den Instrumentenklang weitestgehend originalgetreu, d. h. mit linearem Frequenzgang, wiederzugeben.
Wird ein solcher Verstärker (z. B. ein alter VOX AC30 ohne Top-Boost-Eingang) durch ein vorverstärktes Signal übersteuert, dann wird der Klang im Bereich der Bässe und unteren Mitten so dominant wie undefiniert, es entsteht ein wabbeliger, mulmiger Sound.
Mit dem Treblebooster passiert nun folgendes:
- Hochpasscharakter
Der Eingangswiderstand des Trebleboosters (im Allgemeinen zwischen 10 und 20 kΩ) in Reihe mit dem Innenwiderstand des Tonabnehmers bilden mit dem Eingangskondensator des Trebleboosters einen Hochpass erster Ordnung mit einer Startfrequenz (3 dB-Frequenz) zwischen 1 und 2 kHz – das allerdings nur bei voll aufgedrehtem Volumenregler an der Gitarre.
- Tiefpasscharakter
Außerdem bilden, und das ebenfalls nur bei voll aufgedrehtem Volumenregler an der Gitarre, der Eingangswiderstand des Trebleboosters, der Innenwiderstand des Tonabnehmers und die Tonabnehmerinduktivität einen Tiefpass – mit Allgemeinen mit einer 3 dB-Frequenz über 1 kHz. Hochpass und Tiefpass sorgen also insgesamt für eine Vorfilterung / Mittenbetonung vor der Verzerrung, die geeignet ist, einen kompakten Distortionsound zu produzieren.
- Volumenregler und Treblebooster
Die Frequenzgangverhältnisse ändern sich, wenn der Volumenregler an der Gitarre zurückgedreht wird. Für beide Filter steigt der beteiligte Widerstand (der obere Teil des Volumenpotentiometers liegt jetzt in Reihe mit dem Innenwiderstand des Tonabnehmers und dem Eingangswiderstand des Trebleboosters) und die 3 dB-Frequenzen von Hoch- und Tiefpass rücken auseinander. Das heißt, die 3 dB-Frequenz des Tiefpasses fällt und die des Hochpasses steigt. Da auch der Pegel insgesamt sinkt, verhält sich der Volumenregler der Gitarre eher wie eine regelbare Mittenanhebung, bzw., vor einem geeigneten Verstärker, wie ein Verzerrungsregler.
- Verzerrungen und Arbeitspunkt
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Weiterhin arbeitet der Treblebooster nicht linear oder „clean“, er verzerrt selbst.
Dabei sagt man den in oder seit den sechziger Jahren in Trebleboostern verwendeten Germanium-Legierungstransistoren aufgrund deren eher grober Struktur und der hohen Leitfähigkeit von Germanium ein klanglich günstiges Übersteuerungsverhalten (Verrundung von Kanten beim Klippen, erweiterter Cut-Off-Bereich) nach.
Das Zerrverhalten der verwendeten Transistoren ist insofern wesentlich, da es in der Schaltung keine die Kennlinie stabilisierende und die Verstärkung linearisierende Gegenkopplung gibt – der für die Temperaturstabilität notwendige Emitterwiderstand ist mit einem Kondensator überbrückt; hier ist also keine linearisierende Gegenkopplung zu erwarten.
Wird der Volumenregler an der Gitarre zurückgedreht, so kann es sein, dass der Treblebooster zwar nicht mehr verzerrt (ins Clipping kommt), aber infolge seines speziellen Arbeitspunktes (eine Kollektorruhespannung von etwa −6 Volt bis −7 Volt gegen Masse bei einer Betriebsspannung von −9 Volt) an einer asymmetrisch gekrümmten Kennlinie tendenziell geradzahlige Oberwellen geringer Ordnung produziert – tendenziell angenehme Verzerrungen, die man nicht unbedingt als solche hört.
- Kollektorspannung, Arbeitspunkt und Arbeitspunktverschiebungen
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Dabei ist ein solcher Arbeitspunkt für eine „normale“ Verstärkerstufe eher ungewöhnlich – üblicherweise würde man versuchen, die Kollektorspannung auf einen Wert in Höhe der halben Betriebsspannung zu setzen. In diesem Bereich höherer Verstärkung würde man die Stufe durch Gegenkopplung (z. B. durch einen nicht kapazitiv überbrückten Emitterwiderstand) auf einem Niveau geringerer Verstärkung linearisieren.
Im Treblebooster passiert genau das nicht – die Kollektorruhespannung ist höher und der Emitterwiderstand ist kapazitiv überbrückt. Welche Folgen hat das?
Zum Verständnis der Zusammenhänge ist sinnvoll, sich die statische Kennlinie einer solchen einfachen Transistorverstärkerstufe zu vergegenwärtigen – Abbildung 1.1 beinhaltet die Darstellung der simulierten Schaltung mit einem npn-Transistor (d. h. die Spannungen gegen Masse sind positiv). und deren statische Kennlinie (die Kollektorspannung als Funktion der Basis-Emitter-Spannung).
Der Spannungs- / Signalquelle ist ein Quellwiderstand entsprechend dem minimalen Innenwiderstand des Tonabnehmers beigefügt. Der Graph der Kollektorspannung in Abhängigkeit von der Basis-Emitter-Spannung zeigt, dass die Kollektorspannung mit zunehmender Basis-Emitter-Spannung fällt – die Stufe hat eine negative Verstärkung. Diese ist allerdings nicht konstant, d. h. die Kollektorspannung fällt nicht linear; die Steilheit des Graphen bzw. die Verstärkung steigt mit zunehmender Basis-Emitter-Spannung.
Bei einer „normalen“ Verstärkerstufe würde man jetzt nur im unteren Bereich der Kennlinie arbeiten (Kollektorspannung etwa 3–4 V, kleinerer Aussteuerungsbereich etwa von 1–5 V, größere Mindestverstärkung) und die Schaltung über einen Emitterwiderstand gegenkoppeln und damit linearisieren (und die höhere Verstärkung wieder „verschenken“), würde also eine wesentlich „sauberere“ / linearere Verstärkung mit einem geringeren Aussteuerungsbereich erkaufen.
Beim Treblebooster hat man anders entschieden. Der in Bezug auf die Kollektorspannung eher asymmetrische Arbeitspunkt scheint, wenn man für den maximalen Aussteuerungsbereich eine mehr oder weniger gekrümmte Kennlinie und entsprechende nichtlineare Verzerrungen in Kauf nimmt, in Bezug auf das Eingangssignal durchaus sinnvoll gewählt.
Zum Erklärung sie noch einmal auf die Beispielschaltung entsprechend Abbildung 1.1 verwiesen. Hier liegt die Basisruhespannung, d. h. die Basisspannung im Arbeitspunkt, bei etwa 610 mV. Bei der geringstmöglichen Kollektorspannung (Transistor ist in der Sättigung) hat die Basisspannung einen Wert von gut 660 mV (Ue,max), während die Kollektorspannung bei einer Basisspannung von gut 560 mV (Ue,min) in etwa ihren größtmöglichen Wert erreicht und der Transistor in den Cut Off geht.
Die Basisruhespannung von etwa 610 mV liegt ziemlich genau mittig im eingangsseitigen Aussteuerungsbereich zwischen Ue,min und Ue,max. Das bedeutet, dass der Arbeitspunkt in Bezug auf die Basisspannung symmetrisch ist.
Bei größeren Eingangspegeln wird die stärkere und härtere Verzerrung (am Kollektor) stark asymmetrisch sowohl in Bezug auf die Signalform als auch auf die maximalen Pegel. Der maximale (hier positive) Ausgangsspannungshub in Richtung Cut Off (tendentiell eher weicheres Clipping) kann etwa 2–3 V betragen , der (hier negative) Ausgangsspannungshub in Richtung Sättigung (abrupte Begrenzung; tendentiell eher hartes Clipping) ist mit maximal 6–7 V größer.
Dieses Verhalten ist beim Rangemaster Treblebooster ähnlich, nur mit umgekehrter Polarität – die Schaltung kann positive Spannungsspitzen mit einer Höhe von zu 7 V abgeben. Es besteht also die Möglichkeit, die Eingangsstufe eines nachfolgenden Röhrenverstärkers mit großen positiven Spannungsspitzen stark in die Gitterstromverzerrungen zu treiben.
Zu guter Letzt bewirkt der asymmetrische Arbeitspunkt auch zu einer Veränderung des Arbeitspunktes bei Übersteuerung des Trebleboosters selbst. Wenn bei Übersteuerung durch ein Signal mit halbwegs geradem Tastverhältnis die Kollektorspannung gleichmäßig zwischen den Extremwerten 9 V und 1 V springt, springt auch die Spannung über dem Kollektorwiderstand (10 kΩ) symmetrisch zwischen 0 Volt und etwa 8 Volt und es fließt ein Kollektorstrom von durchschnittlich 0,4 mA. Dieser gemittelte Kollektorstrom durch Kollektor- und Emitterwiderstand ist bei großer Aus- bis Übersteuerung also größer als der Ruhestrom, das heißt, der Emitterkondensator lädt sich bei bei großer Aus- bis Übersteuerung stärker auf und „schiebt die Emitterspannung nach oben“, der Arbeitspunkt wird in die Richtung der oberen Halbwellen verschoben. Dadurch ändert sich das Tastverhältnis des Eingangssignals wieder, der Transistor wird weniger lange durchgesteuert und der gemittelte Kollektorstrom sinkt wieder – die Schaltung stabilisiert sich wieder. Die zeitlichen Abläufe werden wesentlich durch die Zeitkonstante RE·CE bestimmt.
Ähnliche Prozesse ereignen sich auch an der Basis – infolge der fehlenden Gegenkopplung am Emitter (die dafür sorgen würde, dass der Emitter der Signalspannung an der Basis „folgt“ und die Basis-Emitter-Spannung relativ gleich ist) ist die Basis-Emitter-Strecke für beide Halbwellen des Eingangssignals unterschiedlich stark durchlässig, was bei starker Aussteuerung zur Umladung des (relativ kleinen) Eingangskoppelkondensators führt. Auch das bedingt eine Arbeitspunktverschiebung am Eingang und eine kurzzeitige Änderung der Symmetrie der Verzerrungen am Ausgang.
Diese temporären und aussteuerungsabhängigen Arbeitspunktverschiebungen haben den Ruf, den mit einem Treblebooster erzeugten verzerrten Klang interessant zu machen, man sollte also nicht versuchen, sie zu vermeiden. Für eine Anpassung des Trebleboosters an Gitarren mit höherem Ausgangspegel ist es notwendig, das auch die genannten Effekte erst „später“, d. h. bei größeren Eingangsspannungen einsetzen.
Soviel zur (einigermaßen speziellen) Funktion der Schaltung eines Trebleboosters. Bezüglich der technischen Zusammenhänge im Hintergrund sei auf das elektronische Fachbuch „Physik der Elektrogitarre“ von Prof. Manfred Zollner und auf einige Artikel von Bernd C. Meiser verwiesen – die bisherigen Ausführungen in diesem Artikel folgen den Darstellungen Zollners und Meisers.
Meiser beschäftigt sich in seinen Artikeln neben der Funktionsbeschreibung des Trebleboostern kurz mit dessen Eignung zur Vorverstärkung von Gitarren mit Humbuckern – das sei hier kurz dargestellt:
Bei der Verwendung einer Stratocaster mit Einzelspulentonabnehmern und einem Rangemaster Treblebooster, um noch einmal das Bilderbuchbeispiel zu bemühen, ergeben sich typischerweise ein Hochpass mit einer 3dB-Frequenz von ungefähr 1,5 kHz (Ceing. = 5,6 nF und Reing.≈ 15 kΩ zzgl. RTA ≈ 4 kΩ) und ein Tiefpass mit einer 3dB-Frequenz von größer als 1 kHz (LTA = 2 H und Reing.≈ 15 kΩ zzgl. RTA ≈ 4 kΩ), also ein deutlicher und im Ernstfall auch scharfer Mittenboost. Die so erzeugten Sounds waren wohl für die eher mittigen Klangvorstellungen, die Arrangements und auch Audiogeräte der damaligen Zeit (Kofferradios, Musiktruhen etc.) durchaus geeignet und passend und wurden damit, aus heutiger Sicht betrachtet, stilprägend – und inzwischen für Sammler, Liebhaber und Spekulanten ein „must have“ und „amtlich“.
Soweit zu Trebleboostern und Single-Coil-Tonabnehmern. Bei Humbuckern ergeben sich andere technische Verhältnisse:
Bei einem „klassischer“ Humbucker an einem Rangemaster Treblebooster entstehen bei vollaufgedrehtem Volumenregler an der Gitarre ein Hochpass mit 1,2 kHz (Ceing. = 5,6 nF und Reing.≈ 15 kΩ zzgl. RTA ≈ 8 kΩ) und Hochpass mit etwa 700 Hz (LTA = 5 H und Reing.≈ 15 kΩ zzgl. RTA ≈ 8 kΩ). Das heißt, hier kommen möglicherweise zu wenig Höhen aus einer an sich schon warm klingenden klassischen „Humbucker-Gitarre“ wie zum Beispiel einer Les Paul.
Außerdem, so Meiser, ist die Verstärkung eines Treblebooster für Humbucker mit wesentlich höherer Ausgangsspannung zu groß – der Treblebooster wird so übersteuert, dass die Dynamik leidet.
Als bekanntes Beispiel für den Sound, der für diese Kombination (Humbucker-Gitarre und Treblebooster) charakteristisch ist, wird im Artikel auf die Aufnahmen mit Tommy Iommi im Frühwerk von Black Sabbath verwiesen. Nun, das ist, bei aller klanglichen Ausdrucksstärke dieser Aufnahmen, eher kein Sound, der über Genregrenzen hinweg „amtlich“ genannt werden kann.
Simulationen & Gedankenexperimente
Soweit also der Stand von Theorie und Technik.
Es wurden ein paar Simulationen erstellt, um die beschriebenen Zusammenhänge auch, wenn nicht in der Simulation nachzuweisen, so doch bildlich darzustellen. Begonnen wurde mit der Simulation eines Singlecoils an einem Treblebooster mit einem Kabel von etwa fünf Metern Länge, einem Eingangskoppelkondensator von 5,6 nF, einem Spannungsteiler für die Basisvorspannung von 470 kΩ zu 68 kΩ und einem Transistor mit einem differentiellen Widerstand der Basis-Emitter-Strecke von 13 kΩ (Germaniumtransistor mit einem Basisstrom von 2 µA – ein Kollektorstrom von 0,2 mA und ein Stromverstärkungsfaktor von etwa 100). Das Modell für den Singlecoil ist der letzten Ausgabe von Prof. Zollners Werk „Physik der Elektrogitarre“ entnommen. Die Simulationsschaltung wird in Abbildung 1.2 gezeigt:
Die folgende Abbildung 1.2 zeigt das Ergebnis der Simulation – den Frequenzgang an der simulierten Basis des Transistors bei verschiedenen Stellungen des Volumenreglers der Gitarre. Die Maximal- und die Mittelstellung des (logarithmischen) Potis sind hervorgehoben.
Die Simulation zeigt einen scharfen, schmalen Bandpass bei etwa 1,3 kHz, der jedoch sofort bei leichtem Zurückdrehen des Potis verschwindet. Bei kleineren Lautstärken bleibt, neben einer (kaum relevanten) Höhenabsenkung oberhalb von sechs bis acht Kilohertz ein Hochpass mit Schnittfrequenz von etwa 600 bis 700 Hertz übrig – ähnlich einem Tubescreamer.
Das Gleiche nun in Abbildung 1.4 und Abbildung 1.5 für die Verbindung eines Humbuckers mit einem klassischen Treblebooster. (Das Modell für den Singlecoil stammt diesmal nicht direkt aus einer aktuellen bzw. verfübaren Ausgabe von Prof. Zollners Werk, sondern wurde vom Autor mit Angaben für Dummy- und Tonspule aus einer älteren Ausgabe der „Physik der Elektrogitarre“ zusammengebastelt, ohne dass sich der Autor noch an jedes Detail erinnern kann. Insofern wird hier lediglich auf den Abschnitt für Gibson-Humbucker.) des genannten Werkes verwiesen.
Für den Humbucker wurde eine größere Ausgangsspannung und natürlich eine hochohmigere Verschaltung angenommen:
Was zeigt der Frequenzgang? Der zunächst vermutete Verlust der Höhen konnte in dieser Simulation nicht bestätigt werden, lediglich der scharfe Bandpass bei vollem Volumen bewegte sich auf eine Mittenfrequenz von 900 Hz. Allerdings fehlt der stärke Low-cut, der in der Verbindung Singlecoil und Treblebooster zu erkennen war – wird also das Signal eines Humbuckers über einen Treblebooster verstärkt, fehlen möglicherweise weniger die Höhen, als dass Bässe und untere Mitten (die ja beispielsweise eine Les Paul reichlich anbietet) das Klangbild und auch die Verzerrung stärker dominieren. Das allerdings kann, zusammen mit dem höheren Pegel, tatsächlich zu einer intransparenten oder undynamischen Verzerrung führen.
Abschließend noch die Simulation eines Gedankenexperiments – der gleiche Humbucker arbeitet an einen quasi „verdoppelten“ Treblebooster, d. h. an einem Treblebooster mit doppeltem Signaleingangswiderstand und halber Verstärkung (siehe folgende Abbildung 1.6).
Neben größeren Widerständen im Basisspannungsteiler und einem etwa halb so großen Eingangskoppelkondensator ist der Widerstand rBE, der den differentiellen Widerstand der Basis-Emitter-Strecke nachbilden soll, doppelt vorhanden. Zum einen sollen über diese beiden Widerstände rBE1 und rBE2 ein doppelt so großer Eingangswiderstand simuliert werden, zum anderen soll im Ergebnis der Simulation nur die Spannung über rBE1 dargestellt werden, um diesen Frequenzgang auch im Pegel mit dem in Abbildung 1.3 (Singlecoil an klassischem Treblebooster) gezeigten Ergebnis verglichen werden können, (unter der Voraussetzung des Gedankenexperiments, dass dieser spezielle Treblebooster für Humbucker eine halb so große Verstärkung hätte.).
Der bei dieser Simulation ermittelte Frequenzgang ähnelt stärker dem eines Singlecoils an einem klassischen Treblebooster (in Abbildung 1.3) – die Mittenfrequenz der Resonanzspitze bei maximalem Volumen liegt wieder deutlich über 1 kHz, der Pegel ist geringer und auch die Ansatzfrequenz des Low-cuts liegt wieder im Bereich um 700 Hz.
Soweit zu den Simulationen, die im Ergebnis zumindest darauf hinweisen, dass ein Treblebooster mit vergrößertem Eingangswiderstand und geringerer Verstärkung für die Verwendung mit Humbuckern sinnvoll sein könnte.
Dazu – last but not least – noch eine eher praktische Ergänzung: Auf das Dilemma des zu geringen Eingangswiderstands war der Autor, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, ebenfalls gestoßen – beim Herumprobieren mit einer Fuzz-Schaltung mit kleinem Vorschaltkondensator (also in Ansätzen etwas ähnliches wie ein Treblebooster) sowie einer Gitarre mit Humbuckern fiel auf, dass der Zerrklang nur dann nicht dumpf, gestopft und ein wenig pappig klang, wenn die beiden Einzelspulen des Humbuckers parallel, und nicht, wie bei einem Humbucker üblich, in Reihe geschaltet waren.
Eine Beobachtung, die Anlass war, die eigenen Überlegungen zum Thema „Treblebooster für Humbucker-Gitarren“ zusammenzufassen und, mit dem Ziel einer Lösung, aufzuschreiben.
Denken nach Zahlen
Ziel ist es also, eine Schaltung für einen Treblebooster zu finden, der besser für das Zusammenspiel mit einem Humbucker geeignet ist. Diese Schaltung sollte, im Gegensatz beispielsweise zum Rangemaster Treblebooster, folgende Eigenschaften haben:
- Eingangswiderstand
Die Schaltung sollte einen mindestens doppelt so großen Eingangswiderstand haben, um die größere Tonabnehmerinduktivität auszugleichen und Höhenverluste zu vermeiden.
- Verstärkung
Die Verstärkung sollte deutlich unter dem Verstärkungsfaktor 30 (etwa 30 dB) liegen – für übliche Treblebooster werden Verstärkungsfaktoren von 30 bis 60 angegeben.
- Germanium
Es sollte entweder ein Germaniumtransistor verwendet werden oder wenigstens versucht werden, dessen für die „musikalische“ Verzerrung notwendigen Eigenschaften nachzubilden.
Beim Nachdenken über und Simulieren von verschiedenen Ideen, um einfache Veränderungen der bekannten Treblebooster-Schaltung (insbesondere der des Rangemasters) stellen sich einige grundlegende Zusammenhänge heraus, die nicht so einfach ignoriert werden können:
- Basisruhestrom – Eingangswiderstand
Der Eingangswiderstand des Trebleboosters wird wesentlich vom differentiellen Widerstand der Basis-Emitter-Strecke des Transistors (beim Rangemaster etwa 15 bis 20 kΩ) geprägt. Die Basiswiderstände (470 kΩ und 68 kΩ) sind wesentlich größer als der differentielle Widerstand der Basis-Emitter-Strecke des Transistors. Dabei verhält sich dieser differentielle Widerstand, grob gesagt, reziprok zur Höhe des Basisstroms.
- Stromverstärkung – Eingangswiderstand
Für einen festgelegten Arbeitspunkt (Kollektorspannung) an einen gegebenen Kollektorwiderstand ergibt sich bei einem bestimmten Stromverstärkungsfaktor ein entsprechender Basisruhestrom – Letzterer könnte in etwa halbiert werden (um den Eingangswiderstand zu erhöhen), indem ein Transistor mit, beispielsweise, doppelt zu großem Stromverstärkungsfaktor verwendet wird.
- Basisruhestrom – Aussteuerungsbereich
Ein halb so großer Basisruhestrom führt dann vielleicht zu einem doppelt so großen differentiellen Widerstand zwischen Basis und Emitter, aber nicht – selbst bei gleichgroßem Eingangssignal – zu einem halb so großen Basissignalstrom. Da die Signalquelle (der Tonabnehmer) keinen endlos kleinen Innenwiderstand hat, sondern einen Innenwiderstand in Größenordnung des Eingangswiderstandes des Trebleboosters, bilden der Innenwiderstand der Spannungsquelle und der differentielle Widerstand der Basis-Emitter-Strecke des Transistors einen Spannungsteiler, und der Anteil des Signals, der „beim Transistor ankommt“ steigt mit größerem Eingangswiderstand des Trebleboosters. Mit einem doppelt so großen Stromverstärkungsfaktor verdoppelt sich so zwar der Eingangswiderstand, aber der Eingangssignalstrom halbiert sich (bei halbem Basisruhestrom) nicht, so dass der Eingang bei halbem Basisstrom stärker übersteuert wird.
- Stromverstärkungsfaktor – Verstärkung
Außerdem gleichen sich der höhere Stromverstärkungsfaktor und der dadurch gestiegene Eingangswiderstand aus – je weniger Signalstrom durch den gestiegenen Eingangswiderstand in die Basis „hineingelassen“ wird, umso größer ist dessen Verstärkung. Eine Reduktion der Verstärkung ist so also nicht möglich.
- Stromverstärkungsfaktor – Verstärkung
Auch der umgekehrte Weg ist nicht zielführend – ein Transistor mit geringerem Stromverstärkungsfaktor führt zu einem geringeren Eingangswiderstand, d. h. zu einer stärkeren Dämpfung des Tonabnehmers und weniger Höhen.
Literaturhinweise
- Bernd C. Meiser. Treble Booster.
Treble Booster Teil I. Gitarre und Bass 1 / 2002, S. 156–157;
Treble Booster Teil II. Gitarre und Bass 2 / 2002, S. 182–183;
Treble Booster Teil III. Gitarre und Bass 3 / 2002, S. 164–165;
alle drei: Music Media Verlag Köln 2003- Manfred Zollner. Physik der Elektrogitarre.
Seite 10–232 ff (zum Treblebooster). Bezug über: gitec-forum.de (PDF; ca. 40 MB);
- Manfred Zollner. Physik der Elektrogitarre.
Seite 5–173 (zum Simulationsmodell des Singlecoil). Bezug über: gitec-forum.de (PDF; ca. 40 MB);
- Manfred Zollner. Physik der Elektrogitarre.
Seite 5–194 (zu Gibson-Humbuckern). Bezug über: gitec-forum.de (PDF; ca. 40 MB);